In Ekklesia
Isabella Fürnkäs presents a dystopian techno-economic future where there is no space for human language or human labour. The video installation In Ekklesia (2015) offers a speculative vision of labour in the era of robotics. A projection screen, resting on a pile of kinetic sand, depicts industrial machines at work. Footage of different industrial machines and robots is interspersed with images of ballpoint pen drawings by Fürnkäs, as well as documentation of rave culture. The mix of industrial imagery and party culture echo each other as the robotic movements seemingly move in time with the technoid sounds.
The growing automatisation of unskilled labour leads to a rise in unemployment and work precarity. What started as the Fordist dream of a growing economy turned into a nightmare. Today, job insecurity, worklessness and financial instability preoccupy a generation of anxious and disassociated workers. Fürnkäs grasps the discrepancy between intimacy and productivity, labour and leisure, between euphoria and anxiety by layering image, sound and lyric in this moving image installation. The fast images are interspersed by moments of stasis and dreariness.
“I am so sad”
“I am transparent”
“I am losing my language”
The loss of language the vocalist refers to here, invokes a loss of power and control. The kinetic sand, framing the projection screen, suggests the quicksand-like quality of a system that once it grabs you, won’t let go. As Mark Fisher wrote, capitalism is “a monstrous, infinitely plastic entity, capable of metabolising and absorbing anything with which it comes into contact.” 1
(1) Mark Fisher, Capitalist Realism : Is There No Alternative ?, Zero Books, London, 2009, p.6
Unpredictable liars
Mysterious veiled figures linger in the exhibition space; they could be from past decades or maybe the distant future. Mumbling under their cloak, they tell the story of The Raft of the Medusa, an oratorio by the German composer Hans Werner Henze, the tale of the French frigate Meduse, which ran aground off the west coast of Africa in 1816. Some castaways saved themselves on a raft, but in the end only fifteen of the hundred and fifty mariners survived.
Translated through sculpture, a story of desperation, existential crisis and cannibalism unfolds. While Hans Werner Henze’s oratorio originated against the backdrop of left-wing thought in the 1960s, Fürnkäs’ work situates itself very specifically in the context of contemporary economics, referencing isolation and the struggle for survival.
In Ekklesia
Isabella Fürnkäs kreiert die dystopische Vision einer techno-ökonomischen Zukunft, die weder Verwendung für menschliche Sprache noch für menschliche Arbeitskraft bietet.
Die Videoinstallation In Ekklesia (2015) inszeniert Erfahrungswelten von industrieller Arbeit zur Zeit der Robotisierung. In homogenem Einklang überlagern sich Bilder industrieller Maschinen und Roboter mit Szenen subkultureller Tanzkultur. Die Synchronisierung technoider Sounds und automatisierter Bewegungen suggerieren eine Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine.
Die zunehmende Automatisierung/Robotisierung von Arbeitsprozessen steigert die Unsicherheit für viele Arbeitnehmer. Was in Zeiten Henry Fords als Traum begann, entwickelt sich zum Albtraum. Darüber hinaus hat die Automatisierung längst den Arbeitsmarkt auch außerhalb der industriellen Produktion erreicht. Software, Algorithmen, digital-platform-work und neue Formen künstlicher Intelligenz beeinflussen und formen die unterschiedlichsten Arbeitsbereiche.
Fürnkäs erfasst die Diskrepanz zwischen Intimität und Produktivität, zwischen Arbeit und Freizeit und zwischen Euphorie und Angst. Subkultur und Clubkultur, Entwicklungen von Beatnik zu Hippie und von Punk zur Rave-Kultur sind historisch eng verwoben mit der Ablehnung bürgerlicher Arbeitsmoral und Arbeitskonventionen. Momente der Stille lädt Fürnkäs mit Spuren emotionaler und ökonomischer Erschöpfung auf.
„ I am so sad”
„ I am transparent”
„ I am losing my language”
Der beschriebene Verlust von Sprache geht einher mit dem Verlust von Menschlichkeit und Autarkie. Kinetischer Sand versinnbildlicht die Treibsand-Qualität eines Systems, welches niemanden unberührt lässt. Der britische Denker Mark Fisher beschrieb Kapital erzeugende Mechanismen als „a monstrous, infinitely plastic entity, capable of metabolising and absorbing anything with which it comes into contact.”1
Der Titel Ekklesia verweist auf die altgriechische ‚ecclesia‘, das demokratische Parlament Athens und damit auf eine Gesellschaft, in der Kontemplation und Debatte als Aktivitäten mit hohem Ansehen verknüpft waren, physische Arbeit dagegen keine Wertschätzung erfuhr.
Während sich der Titel der Arbeit von dem altgriechischen Handlungsraum der Demokratie ableitet, beschreibt die Arbeit selbst eine Wirtschaftsform, die die Demokratie unmittelbar bedroht. Denn wenn etwa Investoren und Firmen wirtschaftliche Monopole bilden, akkumulieren sie auch politische Einflusskraft und die Möglichkeit, demokratische Politik zu untergraben.
(1) Mark Fisher, Capitalist Realism : Is There No Alternative ?, Zero Books, London, 2009, p.6
Unpredictable liars
Verhüllte Figuren lungern im Raum, verbergen ihre Identität unter befremdlichen Kutten und sprechen mit undeutlichen Stimmen. Wer sich näher heranwagt, wird im Murmeln und Tuscheln Texte vernehmen können. Dialoge entfalten sich und transportieren die Szenerie auf das Floß der Medusa. In seinem Oratorium Das Floß der Medusa (1968) erzählt der deutsche Komponisten Hans Werner Henze die Geschichte der Fregatte Medusa, die 1816 vor der afrikanischen Küste kenterte. Zahlreiche Besatzungsmitglieder konnten sich zwar auf ein Floß retten, das dann aber zur Bühne der eigentlichen Tragödie zivilisierter Menschlichkeit werden sollte. Dreizehn Tage trieben die Schiffbrüchigen auf dem Wasser, nur fünfzehn von hundertfünfzig überlebten. Henzes Oratorium erzählt von Verzweiflung, existenzieller Krise und Kannibalismus. Performt durch bizarr verlebendigt wirkende Skulpturen inszeniert Fürnkäs eine lose Adaption des klassischen Stücks, welches in den 1960ern im Kontext politisch linken Gedankenguts komponiert wurde. Die Tragödie um Tod und Überleben setzt sie ins Verhältnis zu zeitgenössischen Erfahrungen sozialer Isolation und dem Kampf um Ressourcen.
Marian Stindt for Words don’t come easy, KIT, Düsseldorf